Unsere Aktionswoche gegen Antisemitismus

Liebe Menschen,

zuallererst: Es hat uns große Freude bereitet, mit euch die verschiedenen Veranstaltungen zu erleben – es wurde gemeinsam gelacht und diskutiert, aber auch gefroren.
Die Woche begann am 09. November mit dem Gedenken an die Novemberpogrome von 1938 am ehemaligen Standort der Neubrandenburger Synagoge, die auch den Flammen der Nationalsozialisten zum Opfer fiel.

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Mittwoch, 09. November 2016

Die ca. 100 anwesenden Teilnehmer_innen lauschten erst andächtig den Worten zweier Jugendlicher, die Gedichte vortrugen, und im Anschluss dem Oberbürgermeister Silvio Witt. Er vermochte es, die Taten vom 09. November als das einzuordnen, was sie sind: unaussprechlich und unmenschlich. Auch betonte er, dass es vor allem die „normalen“ Nachbar_innen waren, die in der Nacht 1938 zündelten, plünderten, gewalttätig wurden. Er versuchte damit, den Bogen zur heutigen Zeit, über 70 Jahre später, zu schaffen. Während überall Unterkünfte brennen, Menschen zusammengeschlagen werden, weil sie vermeintlich nicht hierher gehören, und Tote billigend in Kauf genommen werden, sieht Witt gewisse Parallelen. Sind es doch auch heute die vermeintlich „normalen“ Nachbar_innen, die sich plötzlich und schnell radikalisieren. Anschließend wurden Kränze niedergelegt.

Donnerstag, 10. November 2016

Bereits am nächsten Tag, erwartete uns die nächste Veranstaltung. Wir verfolgten mit ca. 30 Interessierte den Vortrag vom „Context e. V. Bausteine für historische und politische Bildung“ unter dem Titel „Mord verjährt nicht“. Dieser sollte über den am Landgericht Neubrandenburg stattfindenden Auschwitz-Prozess und dessen Hindernisse berichten. Allerdings wurden unsere Erwartungen übertroffen und wir erhielten einen Eindruck von den Lagerstrukturen sowie von der fehlenden Aufarbeitung und Verschleppung von diesem und weiteren Gerichtsprozessen vieler NS Verbrechen.
So lieferte der Vortrag einen guten Überblick und machte noch einmal deutlich, wie wichtig diese Prozesse für die direkten Opfer, deren Hinterbliebenen und für die Aufarbeitung der Geschichte sind. Aufgrund der aktuellen Rechtssprechung hätte der Prozess schon seit längerem abgeschlossen sein können, jedoch scheint es, als wolle das Landgericht genau dies verhindern und so mauert es gegen alle Beteiligten und unterstützt bisweilen nur die Anwälte Zafkes. Nicht einmal Nebenkläger_innen wird es gestattet, dem Prozess beizuwohnen, mit der Begründung, man könne seine Aussage auch über Skype erbringen. So spricht ein Auschwitz Überlebender, der gleichzeitig Nebenkläger ist: „von einer unmenschlichen Idee, über so ein Thema in einer Videokonferenz zu reden“. Befangenheitsanträge der Nebenklage und der Staatsanwaltschaft gegen den Richter sind in der Justiz ein Novum und führten dazu, dass das Landgericht eine Art Wagenburgmentalität entwickelte und nun keine weiteren Gerichtstermine mehr nennen will. So scheint es aktuell, dass in nächster Zeit kein neuer Verhandlungstag angesetzt werden kann und das Gericht damit ein verheerendes Signal in die Gesellschaft sendet. Im Anschluss stellten viele Besucher_innen Fragen und es entflammte eine regelrechte Diskussion zwischen dem Publikum und den Referenten – in der sich schlussendlich alle einig waren, dass das öffentliche Interesse der Bürger_innen, dem Prozess beiwohnen zu können, viel zu gering sei. Der Context e. V. hat eine eigene Prozessbeobachtungsgruppe und ruft alle Bürger_innen auf, bei nächsten Verhandlungsterminen das öffentliche Interesse durch Ihre Anwesenheit zu untermauern und somit Druck auszuüben.

Sonnabend, 11. November 2016

Bei bestem Sonnenschein, aber auch knackigen -3°C haben sich rund zwei dutzend Menschen am Samstag zum Treffpunkt vor dem Gewerkschaftshaus eingefunden, um am Stadtspaziergang bezüglich jüdischer Geschichte in Neubrandenburg teilzunehmen. Auf dem ca. 1,5 Stündigen Spaziergang erfuhren wir allerhand über Schicksale einzelner jüdischer Familien und die Geschichte des jüdischen Friedhofs Neubrandenburg während der DDR und warum er heute nicht mehr existiert. Am Platz der einstigen Synagoge angekommen, erfuhren die Besucher_innen noch einiges mehr über diese und den Umgang mit Jüd_innen im Nationalsozialismus und heute.
Nach Abschluss der Veranstaltung fuhren wir direkt weiter nach Waren/Müritz, um mit den Genoss_innen vor Ort gut gelaunt gegen den „Heldengedenktag“ örtlicher Neonazis zu protestieren.

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Sonntag, 12. November 2016

Nach einer weiteren kleinen Verschnaufpause brachen wir am Sonntagabend zu unserer letzten Veranstaltung in Richtung Cinestar auf – 18:30 Uhr sollte der Einlass zur Filmvorführung „Rabbi Wolff“ beginnen. Nachdem wir unseren Infostand aufgebaut hatten, vernahmen wir immer mehr Geräusche und Stimmen und nach einem Blick in die Eingangshalle des Kinos, bot sich uns ein Anblick, der unsere Herzen höher schlagen ließ – unsere anfängliche Sorge um die mögliche Zahl der Teilnehmenden verflog blitzartig, denn die Gänge waren voller Menschen, die tatsächlich zu unserem Film wollten. Hier noch einmal ein großes Danke an alle, die trotz der knapp 45 min Verspätung des Einlasses so entspannt gewartet haben. Einleitend zum Film richteten wir noch ein paar mahnende Worte an den fast vollbesetzten Saal über die Situation des Antisemitismus der heutigen Zeit und dass Geschichte nie in Vergessenheit geraten darf.
Nachdem der Film begonnen hatte, spiegelte sich die Leichtigkeit des Rabbi Wolff´s in den Gesichtern der Zuschauer_innen wider und es wurde herzhaft gelacht. Er ist ein wirklich außergewöhnlicher Mensch, der unbeschwert durch das Leben schreitet und dabei so viel Lebensfreude verbreitet, dass er jede_n damit ansteckt.

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Alles in allem eine wirklich gelungene Abschlussveranstaltung der Aktionswoche und ein klares Zeichen gegen Antisemistismus. Dieser kann natürlich nicht allein durch unsere Aktionen und Veranstaltungen gestoppt werden und daher ist es wichtig, dass jeder Mensch ein Bewusstsein dafür entwickelt und zukünftig Menschenhass eine klare Absage erteilt. Nur Gemeinsam kann es gelingen, die Ausbreitung von antisemitischen Handlungen und Meinungen zu stoppen.

Danke

Wir möchten Danke sagen: Danke an alle Besucher_innen, die uns durch ihre Anwesenheit und ihre Reaktionen gezeigt haben, dass dieses Thema nicht nur uns am Herzen liegt und sich der Aufwand gelohnt hat.
Wir danken aber auch der Neubrandenburger DokumentArt, dem Context e. V. aus Rostock und dem Leiter des Stadtspaziergangs für ihre tolle Untersützung und reibungslose Zusammenarbeit. Und der wohl größte Dank geht an die Amadeu Antonio Stiftung und die Rosa Luxemburg Stiftung, ohne deren finanzielle Hilfe sicher nicht so viel möglich gewesen wäre.
Ganz zum Schluss danken wir natürlich auch den engagierten Bürger_innen, die unsere Aktionswochen zum Anlass nahmen, das Mahnmal für die Frauenopfer des KZ Ravensbrück in der Oststadt einer gründlichen Reinigung von Moosen und Flechten zu unterziehen – auch ein Statement an die Stadt, die es anscheinend versäumt, so wichtige Erinnerungsstätten zu pflegen.

Die Pressemitteilungen rund um die Neubrandenburger Aktionswoche findet ihr hier.

Uns Interessiert besonders euer Feedback, was war gut, was hätte man besser machen können und vorallem über welche Art von Veranstaltungen lohnt es sich für das nächste Jahr nachzudenken. Eure Anmerkungen könnt Ihr uns direkt zukommen lassen.